Die ältesten Einbäume Europas

Ein Bericht von Hartmut Rüf

Seit Urzeiten benützen die Menschen Wasserwege zur Fortbewegung. Flüsse und Seen eröffneten häufig ein leichteres Durchkommen als die Urwälder vergangener Zeiten. In allen Erdteilen werden Einbäume nach wie vor verwendet oder sind historisch bezeugt.
Die ältesten erhaltenen Exemplare stammen aus dem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) und wurden aus Kiefer gefertigt entsprechend der damaligen Hauptbaumart. Die nacheiszeitliche Landschaft in Europa entsprach der heutigen sibirischen Tundra, in der sich im Zuge der langsamen Erwärmung Kiefernwälder ausbreiteten. Ab dem 8. bis 7. Jahrtausend v.Chr. stiegen die Temperaturen insbesondere in Nordwesteuropa zu einem Maximum mit bis zu 2,5°C über den heutigen Stand an, was zur Entstehung von Eichenwäldern bis hoch im Norden in Skandinavien führte. Ab dieser Zeit treten in Europa als Holzart für Einbäume Laubhölzer in den Vordergrund, auf Grund der erhöhten Haltbarkeit vorwiegend Eiche, in Dänemark und der Schweiz wurde auch das sehr gut bearbeitbare Lindenholz verwendet.
Der niederländische Archäologe Jan Lanting geht von zwei Zentren aus, von denen aus sich ab dem Mesolithikum der Gebrauch von Einbäumen in Europa verbreitet hat: ein nördliches/nordwestliches Zentrum mit dem ältesten gefundenen Exemplar, dem Einbaum von Pesse, Niederlande (Datierungen 7000 bzw. 8000 v.Chr.), den zwei Booten von Nandy/Le Coudray Montceaux Frankreich (um 7000 v.Ch.), Noyen-sur-Seine Frankreich (ebenfalls um 7000 v.Chr.) und dem Boot von Dümmerlohausen Niedersachsen BRD (um 6500 v.Chr.). Die südliche wahrscheinlich unabhängige Ausbreitungslinie ist gekennzeichnet durch die Einbäume von Hotiza, Slowenien (um 6000 v.Chr.) und Lago di Bracciano (um 4600 v.Chr.).
Im Neolithikum (Jungsteinzeit) sind nach wie vor mittelsteinzeitliche Kulturen (Ertebolle) an der Ostsee und der norddeutschen Tiefebene die Zentren der Einbaumfertigung. Die besondere Kunstfertigkeit der Einbaumbauer zu dieser Zeit an der Ostsee zeigt sich in Exemplaren aus Lindenholz mit bis zu 12 m Länge und einer Wanddicke hinunter bis zu 1 cm.
In Süddeutschland gibt es eine Häufung von Einbäumen am Federsee, davon einige neolithische und zahlreiche bronzezeitliche Exemplare. Bei Konstanz am Bodensee wurde zuletzt ein Einbaum aus dem 23. Jh. v.Chr. geborgen, er ist damit der älteste vom Bodensee.
Nach Osten hin werden die Einbaumfunde immer spärlicher, in den bayrischen Seen und am Inn wurden einige wenige eisenzeitliche Exemplare entdeckt. Eine Ausnahme dazu stellt der Fund eines bronzezeitlichen Einbaumes im Längsee in Kärnten dar.
An den Salzkammergutseen wurden bisher keine prähistorischen Einbäume gefunden, obwohl insbesondere am Attersee auf Grund der großen Anzahl von nachgewiesenen Feuchtbodensiedlungen mit Sicherheit anzunehmen ist, dass es Wasserfahrzeuge gegeben hat.

Verwendete Literatur:
Béat Arnold: Transports lacustres et fluviaux pendant la Préhistoire. Les chemins de l’histoire (ViaStoria), 2014 (Archéologie et histoire), pp. 13-17
Béat Arnold, Miran Erič, Andrej Gaspari, Dragan Živadinov, Franc Solina, Saša Koren (arheologinja.), Sara Ćorković, Matej Školc: Global Initiative: Early Watercraft – A Global Perspective of Invention and Development: The First Ambassadors Meeting Minutes : Vrhnika, Slovenia, 19th – 23rd of April 2015
Béat Arnold: Les pirogues néolithiques de Paris-Bercy. In: Archaeonautica, 14, 1998. Construction navale maritime et fluviale. Approches archéologique, historique et ethnologique. pp. 73-78;
Per Hoffmann, Martin Mainberger: Katalog der archäologischen Schiffs- und Bootsfunde in Deutschland. http://www.uwarc.de/schiffsfunde/
Stefanie Klooß: Fischfang zur Zeit der Neolithisierung an der südwestlichen Ostseeküste, Archäologische Informationen 36, 2013, 215-228
Jan Lanting: Dates for origin and diffusion of the European logboat. Palaeohistoria 39/40, 1997/98, 627-650.

Mario Mineo, Maria Antonietta Fugazzola Delpino: La piroga neolitica del lago di Bracciano (“La Marmotta 1”), Bullettino di Paletnologia Italiana 86 (1995) pp.197-266
Michel Philippe: Un état des connaissances sur la navigation préhistorique en Europe atlantique, Bulletin de la Société Préhistorique Française, 115, 3, p 567-597, October 2018